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Die Jungen werden für ihre Eltern und Grosseltern tief in die Tasche greifen müssen.
Vorsorge

«Man könnte zum Beispiel von Schweden lernen»

Die Schweiz war im Vorsorgebereich lange ein Pionierland. Heute sei unser Land drauf und dran, die dringend nötigen Reformen zu verschlafen, sagt Peter Wirth, Geschäftsführer des Vorsorgeforums.
ValOr-3. Januar|5min
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Herr Wirth, wie geht es dem schweizerischen Vorsorgesystem?

Wir haben grundsätzlich ein ausgezeichnetes System, aber dessen Ausbau fällt uns leichter als das Anpassen an veränderte Verhältnisse. Gefordert sind wir insbesondere bei der AHV. Bis 2030 muss hier eine tiefgreifende Revision über die Bühne gehen und vom Volk verabschiedet werden. Es bleiben also nur noch zehn Jahre.

 

Liegt die Schweiz im internationalen Vergleich zurück?

Ja. Wichtigster Grund dafür ist die Schwierigkeit, das Rentenalter zu erhöhen. Da sind uns viele Länder voraus. Doch die Linke sperrt sich, und die Bürger sind auch nicht scharf auf eine spätere Pensionierung. Das könnte sich bitter rächen.

 

Was macht unserem System am meisten zu schaffen?

Bei der AHV, also in der 1. Säule unseres Vorsorgesystems, ist es die Kombination zweier Trends, beide laufen aus Sicht der AHV-Finanzen in die falsche Richtung: Bei Inkraftsetzung der AHV konnten die Rentner auf 13 Jahre Rentenbezug hoffen, heute sind es 24 Jahre. Gleichzeitig fehlt es am Nachwuchs, der das Umlagesystem mit seinen Beiträgen alimentiert. Statt 2,5 Kinder pro Frau wie in den 1940er-Jahren sind es noch 1,5. Da öffnet sich ein gewaltiges Loch.


«Angesichts der Dringlichkeit der Probleme sind die vorgeschlagenen Reformen Pflästerlipolitik.»

 

Gilt das Gleiche für die berufliche Vorsorge?

Die 2. Säule ist von dieser Entwicklung auch betroffen, aber in geringerem Masse. Hätten wir ein flexibles System, das den Entwicklungen bei Lebenserwartung und Kapitalertrag folgt, wäre das System stets im Gleichgewicht. Aber wir haben im BVG einen fixierten Umwandlungssatz und eine Leistungsgarantie. Die Folge ist eine massive Umverteilung. Die Verluste müssen durch eine systemfremde Umverteilung gedeckt werden. Und wir kommen aus dieser Situation nur schwer heraus. Die Umverteilung ist eine Falle.

 

Sowohl zu AHV als auch zu BVG liegen die Eckwerte für die nächsten Revisionen vor. Was bringen sie?

Angesichts der Dringlichkeit der Probleme sind die vorgeschlagenen Reformen Pflästerlipolitik. Für die AHV wäre eine Erhöhung auf ein Pensionierungsalter 67 notwendig. Das wird zunehmend anerkannt. Aber dabei bleibt es auch. Der Bundesrat hat nicht den Mut und die Parteien noch weniger. Da ein Leistungsabbau ebenfalls ausser Frage steht, müssen die Probleme allein auf der Finanzierungsseite gelöst werden. Also höhere Beiträge, Subventionen und Steuern. Die Jungen müssen also letztlich für die Babyboomer bezahlen.

 

Was könnte man von anderen Ländern lernen?

Man könnte zum Beispiel von Schweden lernen, das die Leistungen an Lebenserwartung und Kapitalertrag koppelt. Das scheint in der Schweiz nicht durchsetzbar. Wir waren einmal innovativ. Heute sind wir erstarrt.

 

Was passiert, wenn wir nichts tun?

Die 2. Säule käme ohne Revision wohl noch für längere Zeit über die Runden. Dank dem Anrechnungsprinzip können die Pensionskassen ihren Umwandlungssatz noch weiter senken. Gegenwärtig liegt der Durchschnitt bereits bei unter 6 Prozent. Die BVG-Kassen ohne überobligatorische Leistungen müssen sich mit Beitragserhöhungen behelfen.

 

Und bei der AHV?

Da sieht es dramatisch aus. Sie leidet unter der enormen Differenz von künftigen Einnahmen und Ausgaben. Das Umlageergebnis ist bereits stark negativ und wird von Jahr zu Jahr schlechter. Gleichzeitig hat die AHV aber im Volk so viel Rückhalt, dass es unvorstellbar ist, dass man sie gefährden würde.

 

Vorsorgeforum

Das 1989 gegründete Vorsorgeforum ist eine Plattform privater und öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen. Darunter sind Organisationen der Sozialpartner, der Pensionskassenverband, Pensionskassenexperten, der Versicherungsverband und die Bankiervereinigung. Hauptziel ist es, das Wissen um die 2. Säule zu verbessern. Geschäftsführer seit Beginn ist der Basler Volkswirt Peter Wirth.

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