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Alter schützt vor Smartphone nicht

Seniorinnen, Senioren und die rasante Entwicklung des Internets – das geht nicht zusammen, mögen viele denken. Doch die über 65-Jährigen werden digital immer fitter. Zwei Seniorinnen erzählen.
ValOr-3. Dezember|6min
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Es war wie verhext. Erst noch funktionierte das Smartphone von Arlette Barbezat einwandfrei, dann aber liessen sich viele Programme nicht mehr öffnen. «Was tun?» Diese Frage stellte die 71-jährige Genferin ihrem Trainer der Swisscom Academy. Ricky Papic wusste Bescheid: Das Handy war zu alt für die Applikationen. Jetzt besitzt Arlette Barbezat ein iPhone 11, und die Apps laufen reibungslos.

 

Arlette Barbezat ist auch als Seniorin digital unterwegs – und damit längst keine Ausnahme mehr.

 

Während ihrer beruflichen Tätigkeit beim Kanton Genf kam die studierte Politologin mit den Fortschritten der Digitalisierung gut zurecht. Dann wurde sie pensioniert und musste vor zwei Jahren feststellen, dass sie sich allein nicht mehr alles Neue beibringen kann. Sie schrieb sich deshalb bei der Swisscom Academy als Kursteilnehmerin ein. «Ich will mich im Alter vom Internet nicht abhängen lassen und habe viele spannende Möglichkeiten entdeckt. Zum Beispiel, wie ich für meine Mutter zu ihrem 100. Geburtstag ein Fotoalbum zusammenstellen kann», erzählt Barbezat.

Wertvolle persönliche Hilfe

«Familienchat auf WhatsApp? Nichts für mich!», sagte die 80-jährige Bärbel Wyss immer wieder. Im Berufsleben hatte sie als selbstständige Beraterin mit Computern und allem Digitalen wenig zu tun. Denn wegen ihrer Legasthenie gab sie alles Schriftliche an die Sekretärin ab. Doch Tochter und Enkelsohn liessen nicht locker. Heute besitzt die Solothurnerin ein Tablet und ist mittendrin, wenn sich die Familie, die über die Schweiz, Österreich und Deutschland verstreut ist, online austauscht. Auf YouTube Filme anzuschauen – über Philosophie, Bergsteigen oder die Orte, wo ihr Enkel tauchen geht – ist zu einer Leidenschaft geworden. Wenn sie Fragen hat, helfen ihr der Enkel und Ueli Kurt. Er ist ihr persönlicher «Digital Coach» von Pro Senectute Solothurn, er unterstützt sie bei Bedarf stundenweise. «Ich bin froh, eine Vertrauensperson gefunden zu haben, die mir in der digitalen Welt Orientierung gibt», sagt Wyss. Ihr nächstes Ziel: online einen Tisch im Restaurant reservieren.

Drei von vier nutzen das Internet

Bestätigen Arlette Barbezat und Bärbel Wyss als Ausnahmen die Regel, dass Seniorinnen und Senioren mit der Digitalisierung überfordert sind? Mitnichten. In der Schweiz besitzen 69 Prozent der über 65-Jährigen ein Smartphone, mehr als doppelt so viele wie 2015. Die Zahlen stammen aus der Studie «Digitale Senioren» von Pro Senectute Schweiz, die im September erschienen ist. «Smartphones sind heute leichter zu bedienen, da sie in den vergangenen Jahren grösser geworden sind und noch intuitiver.» So erklärt Peter Burri Follath von Pro Senectute die Entwicklung unter anderem.

 

In der Schweiz besitzen 69 Prozent der über 65-Jährigen ein Smartphone, mehr als doppelt so viele wie 2015.

 

74 Prozent der über 65-Jährigen sind heute online. Internet, nein danke – diese Haltung ist einzig bei Seniorinnen und Senioren im hohen Alter verbreitet. Nutzen in der Altersgruppe von 80 bis 84 noch 54 Prozent das Internet, sind es bei den über 85-Jährigen nur 35 Prozent. Peter Burri Follath erwartet, dass der Anteil der «Onliner» in den nächsten Jahren auch bei dieser Altersgruppe stark zunehmen wird. «Es gibt kaum noch Berufe, bei denen man ohne digitale Kompetenzen auskommt. Bei der Pensionierung sind deshalb heute die allermeisten Personen digital versiert.» Kurse und die Hilfe von Angehörigen würden aber wichtig bleiben. Denn Seniorinnen und Senioren lernen mit zunehmendem Alter nicht mehr so schnell und wollen Gelerntes üben können. Das bestätigen auch Arlette Barbezat und Bärbel Wyss: «Man muss sein Gerät jeden Tag benutzen, sonst kommt man schnell aus der Übung.»

 

Bärbel Wyss liess sich vom Enkel überzeugen, dass man fürs Internet nie zu alt ist.

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