Thomas Iten, seit 2013 parteiloser Gemeindepräsident von Ostermundigen, ist bereits in der Berner Agglomerationsgemeinde zur Schule gegangen. Den Blick vom höchsten Gebäude der Umgebung kann er auch b ei schlechtem Wetter geniessen.

«Mehr Dorf erfordert mehr Stadt»

Wie die Berner Agglomerationsgemeine Ostermundigen wächst – ein Ortstermin mit dem Gemeindepräsidenten.
ValOr-5.7.2023|7min
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Von den Panoramafenstern des BäreTower erkennt man rasch, dass sich in Ostermundigen in den letzten Jahren einiges bewegt hat. Und dass die Entwicklung noch nicht zu Ende ist. Das Auge erfasst eine befahrene Hauptverkehrsachse, Tanklager und Bahngeleise, Wohnblocks der 1950er- und 1960er-Jahre, Einfamilienhaussiedlungen mit viel Grün, ein Bauernhaus hier und dort, neue Quartiere sowie Baukräne.
 

«Der BäreTower hat Signalwirkung und steht für die Transformation, in der sich Ostermundigen befindet.»
Thomas Iten


Tatsächlich geht das urbane Wachstum weiter: In den nächsten Jahren wird der Bahnhof barrierefrei umgebaut, parallel dazu entsteht die neue Tramlinie zwischen Bern und Ostermundigen. Diese beiden grossen Infrastrukturprojekte erwähnt der parteilose Gemeindepräsident Thomas Iten im Gespräch. «Für die Gemeinde entsteht daraus eine enorme Dynamik», sagt Iten und zeigt Richtung Bahnhof, wo bereits ein nächstes aussergewöhnliches Vorhaben ansteht: das 60 Meter hohe «Werkstadthaus» mit Ateliers, Gastronomie und Wohnungen, nachhaltig aus Holz gebaut.

Innere Verdichtung führt in die Höhe

Etwas weiter hinter dem Bahnhof ragen Baukräne in den Himmel. «Das ist die Überbauung Lindendorf, alles viergeschossige Wohnblocks, die saniert werden müssen», erklärt der Gemeindepräsident. «Die Gebäude dürfen dabei um bis zu drei Etagen aufgestockt werden.» So entstehen rund 100 zusätzliche Wohnungen, ohne dass die Gemeinde kostbaren Boden zur Verfügung stellen musste. «Verdichten nach innen – das ist in unserem Sinn», meint Iten.

Denn die Gemeinde braucht Wohnraum. Seit 2010 ist die Bevölkerungszahl von 15'000 auf über 18'000 gestiegen. «Und die Menschen beanspruchen heute mehr Quadratmeter pro Person als früher», stellt Thomas Iten fest. Entsprechend strebe man für den Lebensraum Ostermundigen einen «kontrollierten Wandel» an. Dafür stehe «O’mundo», die Ostermundiger Ortsplanungsrevision.
 

Der dörfliche Charakter soll erhalten bleiben. Szene aus Ostermundigen, im Hintergrund der BäreTower.


Das Dörfliche bewahren

«Mehr Dorf erfordert mehr Stadt», bringt es der Gemeindepräsident auf den Punkt. Entlang der Hauptverkehrsachse, der Bernstrasse, soll es urban zugehen, mit einer Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Dienstleistung und Verkauf. Die Häuser dürften auch hier einige Stockwerke höher werden. Zugleich soll aber – nur ein, zwei Parallelstrassen entfernt – der dörfliche Charakter in den Einfamilienhausquartieren erhalten bleiben.

Das Bevölkerungswachstum ist auch für die schulische Infrastruktur eine Herausforderung. «Acht Kindergärten sind in den letzten Jahren saniert worden», berichtet Thomas Iten. Und zur Illustration nennt er eine eindrückliche Zahl: Über 1400 Mittagessen werden aktuell pro Woche für die Tagesschulen gekocht.

Partizipative Projekte für den Zusammenhalt

Mit dem Wachstum der Bevölkerung hat sich auch ihre Zusammensetzung verändert. Noch immer engagieren sich die Alteingesessenen in ihren Häusern aus den 1950er-Jahren. «Sie nehmen rege am Vereinsleben teil, legen Wert darauf, im Dorf zum Beck oder in die Metzgerei zu gehen», erzählt Iten. Den 100-Jährigen zum Geburtstag zu gratulieren, gehöre zu seinen wiederkehrenden Aufgaben. «Daneben wohnen viele Leute eher zufällig in der Gemeinde, vor allem, weil sie nahe an Bern und verkehrstechnisch gut erschlossen ist», sagt Thomas Iten. Auch der Ausländeranteil sei mit gut 30 Prozent vergleichsweise hoch.

Für eine gute Durchmischung der Bevölkerung und die Identifikation mit der Gemeinde unternehme Ostermundigen so einiges. Man setze auf partizipative Projekte: So konnten sich die Einwohnerinnen und Einwohner bei der Ortsplanungsrevision in verschiedenen Phasen aktiv einbringen. Es gibt das Projekt Begegnungsweg mit «Zuhörbänkli» zum Plaudern und Erzählen, zahlreiche Feste wie das Street Food Festival, die Bundesfeier oder das Schülerturnier des Fussballclubs. Beim «Mundige Fescht» folgt dann beispielsweise der Aufführung des Jodlerclubs eine des albanischen Kulturvereins. Und alle feiern gemeinsam. «Morgens bauen alle zusammen auf und abends zusammen wieder ab», sagt Thomas Iten. «Das ist eben typisch Agglo und macht uns aus: ein Miteinander – und ein Nebeneinander.»

 



 

Hoch und stabil

Der BäreTower, aktuell das höchste Wohnhaus der Schweiz, misst 100,5 Meter. Er hält damit das ungeschriebene Gesetz noch geradeso ein, wonach in der Region Bern kein Gebäude das 100,6 Meter hohe Münster überragen darf.

Bauen in dieser Höhe bringt besondere Herausforderungen mit sich. «Zum Beispiel ist es nicht möglich, ein Fassadengerüst zur Sicherung der Arbeiten aufzustellen», sagt Agron Noshi, der das Bauprojekt für die Projektentwicklerin Halter AG geleitet hat. «Stattdessen wurde auf dem jeweils obersten Stockwerk ein Windschild errichtet, um die Bauleute zu schützen. Für den Transport von Menschen und Material kamen Lifte entlang der Aussenfassade zum Einsatz.»

Bemerkenswert am seit 2022 ausgewachsenen Turm sei überdies, dass er mit dicken Wänden und einem Kern aus Beton und Eisenarmierungen in «steifer Bauweise» errichtet wurde. Selbst bei starkem Wind bewegt sich der oberste Punkt auf der 33. Etage nur um zwei bis vier Zentimeter in der Horizontalen.

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