Entscheidet das Gehirn eigentlich alleine – oder können wir seine Entscheidungen beeinflussen?

So treffen Sie gute Entscheidungen

Welche Strategien uns helfen, gute Entscheidungen zu treffen, erklärt Hirnforscher Prof. Dr. Lutz Jäncke.
ValOr-7.2.2024|6min
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Was geht im Gehirn vor sich, wenn wir Entscheidungen treffen?

Verschiedene Bereiche des Gehirns arbeiten dabei in komplexen Prozessen zusammen. Das entwicklungsgeschichtlich jüngere Stirnhirn direkt über den Augen ist für rationale und kontrollierende Aspekte zuständig. Unbewusste Prozesse werden in eher älteren Hirnarealen ausgelöst. Auch das sogenannte Belohnungssystem spielt eine wichtige Rolle bei der Motivation von Entscheidungen. Auf der Grundlage der Informationsverarbeitung, unserer Ziele und Erfahrungen wählt das Gehirn die Handlung aus, die am besten geeignet oder am vorteilhaftesten erscheint.

 

Wir entscheiden also ganz logisch und vernünftig?

Eher nicht! Ausserhalb der Mathematik und der Wissenschaft treffen wir selten rein logische Entscheidungen. Im Alltag entscheiden wir überwiegend unbewusst, intuitiv. Muster, die sich tief in unser Gedächtnissystem eingegraben haben, steuern mehr als die Hälfte unserer täglichen Handlungen.

 

Ist das von Vorteil?

Ja, denn würden wir bei allen Handlungen bewusste Kontrollmechanismen einsetzen, würde das viel Energie kosten. Alles, was automatisch geschieht, braucht keine Ressourcen. Dieses überlebenswichtige Unbewusste beruht zudem auf Erfahrungen. Deshalb könnte man unsere Intuition als gefühltes Wissen bezeichnen. Sie basiert auf den bereits gespeicherten Informationen im Gehirn, das wie ein Computer im Hintergrund beständig unser mentales Weltmodell berechnet. So entwickeln wir Denkstrategien, die wir benutzen, um Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Wichtig ist es, dass wir unseren Speicher gut füllen – so viel wie möglich lernen und uns weiterbilden, vor allem in den Gebieten, wo wir Entscheidungen treffen müssen.

 

Mit welchen Strategien können wir unsere Entscheidungen optimieren?

Um nicht im Mainstream mitzuschwimmen, sondern eigenständig zu denken und fundierte Entscheidungen zu treffen, ist es essenziell, Sachverhalte kritisch zu hinterfragen. Dabei empfehle ich, sich in Selbstdisziplin zu üben – strukturiert vorzugehen, klare Ziele und konkrete Fragen zu formulieren und Antworten bei seriösen Quellen zu suchen, ohne sich von zufällig auftauchenden Informationen ablenken zu lassen. Bei komplexen Fragestellungen sollten wir unseren Blickwinkel erweitern, statt uns auf einen einzigen Sachverhalt zu fokussieren. Und auch einmal andere Perspektiven einnehmen, Kolleginnen, Freunde oder Fachleute um Rat fragen.

 

«Nach getroffenen Entscheidungen müssen wir alles tun, um die Zukunft in unserem Sinne zu beeinflussen.»«Nach getroffenen Entscheidungen müssen wir alles tun, um die Zukunft in unserem Sinne zu beeinflussen.» 
Lutz Jäncke 

 

Was gilt es, bei Entscheidungen rund um das Investieren zu beachten?

Wir können die Zukunft nicht vorhersehen, dessen muss man sich bewusst sein. Wir können auf Basis von Informationen und Erfahrungen mögliche Entwicklungen abschätzen, aber eine Unsicherheit bleibt bestehen. Bei Investitionsentscheidungen kann es sinnvoll sein, eigene Vorlieben zu berücksichtigen. Wenn man in Unternehmen investiert, von deren Geschäftsmodell und Werten man persönlich überzeugt ist, kann dies dazu motivieren, auch in schwierigen Zeiten treu zu bleiben. Trotzdem sollte man rational über Zahlen und Fakten analysieren, ob die Investition langfristig sinnvoll ist. Erfolgreiche Anlageberaterinnen und -berater können hier Orientierung bieten.

 

Zu guter Letzt: Was ist überhaupt eine gute Entscheidung?

Lassen Sie es mich so sagen: Perfekte Entscheidungen sind – vor allem bei komplexen Phänomenen wie menschlichem Verhalten oder der globalen Entwicklung – nicht möglich, da nicht alle Rahmenbedingungen bekannt sind. Denkstrategien oder Faustregeln aus Erfahrungen können jedoch unterstützen. Das Wesentliche ist: Nach der Entscheidung müssen wir alles tun, um die Zukunft in unserem Sinn zu beeinflussen. Indem wir Zeit, Arbeit, Wissen oder Geld investieren, steuern wir auch die Entwicklung der Dinge. Kurz: Wir können die Zukunft nicht vorhersagen – aber wir können sie gestalten.

 


 

Zur Person

Der renommierte Hirnforscher und Neuropsychologe Prof. Dr. Lutz Jäncke beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Gehirn des Menschen. Als Autor und Referent vermittelt er seine wissenschaftlichen Erkenntnisse praxisbezogen, verständlich und mit einer Prise Humor.

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