Der «Globus der Wissenschaft und Innovation», der als Ausstellungsbau neben dem CERN Forschung für alle zugänglich macht.

Die Nr. 1 hat noch Potenzial

Innovationsexpertin Anita Jörg erklärt, was die Schweiz noch besser machen könnte.
ValOr-30.8.2023|5min
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Anita Jörg, als Betriebsleiterin bei der Switzerland Innovation Park Biel/Bienne AG sind Sie nahe am innovativen Geschehen. Was macht den Erfindungsreichtum der Schweiz aus?

Zunächst verfügt die Schweiz über zahlreiche wissenschaftliche Institutionen, die Forschung auf höchstem Niveau betreiben, und über Unternehmen, die konsequent in die Entwicklung neuer Produkte oder Verfahren investieren. Der Global Innovation Index, der die Schweiz seit 2011 jedes Jahr auf Platz 1 führt, honoriert unter anderem diese Ausgangslage sowie den beachtlichen Output, den der Forschungsplatz Schweiz hervorbringt: die ergiebige Grundlagenforschung und die hohe Zahl an Patentanmeldungen.

Sie finden, das ist noch nicht die ganze Wahrheit?

Die Schweiz ist innovativ, keine Frage. Neue Ideen, Produkte oder Verfahren schaffen es aber noch zu selten bis zur Kundschaft. Bei der angewandten Forschung – wo es darum geht, Innovationen in Produkte umzusetzen, die auf dem Markt bestehen – gibt es Verbesserungspotenzial.

Wer ist dabei gefordert?

Insgesamt kann das Zusammenspiel von innovativen Unternehmen, etablierten Betrieben und der Politik verbessert werden. Ein Hebel sind Förderangebote, die Start-ups und die Industrie zusammenbringen sollen. Es gibt sie, aber sie werden zu wenig genutzt, weil sie mit administrativem Aufwand verbunden oder gar nicht erst bekannt sind.

Ein anderer Hebel sind die Politik und die Wirtschaftsvertreter. Sie sind gefordert, Innovationen mit finanziellen Mitteln zu unterstützen, besonders dort, wo die Schweiz gute Aussichten hat, sich erfolgreich zu positionieren. Beispielsweise beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien. Denn Tatsache ist, dass einige Start-ups erste Finanzierungsrunden in der Schweiz durchführen, anschliessend aber ins Ausland abwandern. Eine verlorene Chance!

Welche Rolle übernimmt der Innovationspark Biel in diesem Gefüge?

Wir sind in der angewandten Forschung selbst aktiv, führen praxisnahe Projekte durch. Zum Beispiel haben wir zusammen mit der Berner Fachhochschule aus alten Veloakkus eine Second-Life-Batterie gebaut, um Strom aus einer Fotovoltaikanlage zu speichern. Hier reden wir von der Forschungsabteilung zu Batterietechnologien. Zusätzlich sind wir in den Bereichen Fertigungstechnik, Health Tech und Industrie 4.0 – also digitale Produktion – tätig. Oft sind es Start-ups und industrielle KMU, die unsere Projekte anstossen.

Wir unterstützen Firmen aber auch anderweitig, helfen beim Einreichen von Gesuchen für Förderprogramme oder bieten Räumlichkeiten und Labors, die angemietet werden können.

Was für eine Schweizer Innovation in jüngster Vergangenheit ist aus Ihrer Sicht besonders gelungen?

Da muss ich nicht lang überlegen. Hier in Biel hat das Start-up Stimit ein Gerät entwickelt, das durch elektromagnetische Stimulation das Zwerchfell trainiert. Menschen, die künstlich beatmet werden mussten, können damit besser regenerieren. Eines der Forschungszentren des Innovationsparks Biel, das Swiss HealthTech Center, hat bei der Entwicklung mitgearbeitet.

Wie können KMU, die keine Forschungsabteilung haben, Innovation ermöglichen?

Es braucht eine offene Unternehmenskultur, um Dinge zu hinterfragen. Tatsächlich sind innere Hürden oft das grösste Problem: Die Abläufe sind eingespielt, die Mitarbeitenden ausgelastet. Da findet niemand Zeit, etwas anders zu machen. Innovationen müssen aber nicht zwingend von innen kommen, sie können auch von aussen übernommen werden. Offenheit gegenüber Neuem und manchmal einige Ausdauer sind dabei ebenfalls gefragt.


Anita Jörg ist Partnerin und Geschäftsleitungsmitglied beim Switzerland Innovation Park Biel/Bienne (SIPBB), einem von sechs Hauptstandorten von Switzerland Innovation in der Schweiz.

 

 

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