Anlegerinnen und Anleger müssen mit Verlusten umgehen können. Sie sollten keine Risiken eingehen, die sie überfordern.

Über Emotionen beim Anlegen

Für jeden Risikotyp gebe es eine passende Anlagestrategie, sagt Wirtschaftsprofessor Thorsten Hens.
ValOr-18.5.2022|5min
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Thorsten Hens, was ist der «ideale» Anleger, die «ideale» Anlegerin für ein Risikotyp?

Ob sicherheits- oder chancenorientiert: Alle sind geeignet. Nur sollte man sich vor dem Anlegen eine Strategie zurechtlegen, die zu einem passt. Für jeden Risikotyp gibt es eine passende Aufteilung des Anlagevermögens. 

 

Sollten Risikoaverse auf Aktien verzichten?

Nein – der grösste Fehler beim Investieren ist, gar nicht in Aktien anzulegen. Man muss aber darauf achten, dass man sich nicht psychologisch überfordert. Wer Verluste nicht aushalten kann, sollte weniger Aktien halten. Entscheidend ist, geduldig zu sein. 

 

Wie schafft man es, geduldig an einer Strategie festzuhalten, wenn Kursverluste auftreten?

Das ist eine Fähigkeit, die man mit der Zeit lernt. Sich nach grösseren Verlusten von einer Strategie abzuwenden und Teile eines Portfolios zu verkaufen, ist der zweitgrösste Fehler, den man machen kann. Bei fallenden Kursen entgegen einer gewählten Strategie zusätzliche Titel nachkaufen ist ebenfalls problematisch, weil es psychologisch ermüdet – besonders dann, wenn der Umschwung nicht sofort eintritt. 

 

Würden Sie emotionsgetriebenen Menschen davon abraten, eigene Anlagen selbst zu verwalten?

Biologisch gesehen haben wir Emotionen, damit wir besser lernen. Das heisst, emotionsgetriebene Menschen machen anfangs mehr Fehler, lernen dann aber schneller als «coole Typen». Also lautet meine Antwort: nein – doch würde ich empfehlen, nicht über das Smartphone zu kaufen und zu verkaufen, sonst werden die Emotionen zu spontan ins Portfolio umgesetzt.


«Der grösste Fehler ist, gar nicht in Aktien anzulegen.»
Thorsten Hens

 

Eine Ihrer Thesen lautet: Viele Anlegerinnen und Anleger gehen zu hohe Risiken ein. Wie erkenne ich, welches Risiko zu mir passt?

Um es selbst herauszufinden, können Sie Börsenspiele im Internet machen oder ein sogenanntes Papertrade-Konto eröffnen. Sie können sich natürlich auch bei einer Bank beraten lassen. Die Bank kann einschätzen, wie viel Risiko Sie ertragen können. 

 

Wem raten Sie, die Vermögensverwaltung an Profis abzugeben?

Das hängt vom Vermögen und von den eigenen Fähigkeiten ab. Wenn Sie hohes Vermögen und geringes Fachwissen haben, sollten Sie eine Vermögensverwaltung wählen – bei kleinem Vermögen und hohem Fachwissen eher ein Beratungsmandat. Die Kunst liegt also darin, sein Fachwissen richtig einzuschätzen. Auch dafür gibt es inzwischen Diagnostik-Tools. 

 

Sind eigentlich Frauen besser im Anlegen als Männer?

Frauen machen eher den Fehler, dass sie gar nicht anlegen, und Männer überschätzen ihre Fähigkeiten. Was die Frauen gut machen: Sie delegieren eher an Experten als Männer. In der Summe erzielen Frauen und Männer etwa gleich gute Resultate. 

 

Macht es auch in einer Hochphase Sinn, Geld an der Börse anzulegen?

Ja, sicherlich. Seit 500 Jahren stellen Börsen immer wieder neue Rekorde auf. Man muss sich einen Einstiegsplan machen. Also nicht alles auf einmal investieren, sondern zum Beispiel in drei oder fünf gleich grossen Schritten einsteigen und diese Schritte vorziehen, wenn es an der Börse einen Absturz gibt.

 


 

Thorsten Hens (60) ist Professor für Finanzmarktökonomie an der Universität Zürich und Partner von Behavioural Finance Solutions, einem Spin-off der Universitäten Zürich und St. Gallen, das Finanzunternehmen in der Portfoliogestaltung unter Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaft berät.


 

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